Am 28. November 2027 jährt sich der 200. Todestag des Nürnberger Arztes und Philosophen Johann Benjamin Erhard (1766–1827).
Erhard zählt zu den Denkern der nachkantischen Philosophie, die ihre theoretischen Überlegungen nicht in einem systematischen Hauptwerk zusammengefasst haben. Seine wichtigsten Beiträge liegen in Briefen und Rezensionen vor. Seine Hauptprojekte galten einer neuen Theorie der Gesetzgebung, einem Organon der Heilkunde sowie einer Grundlagenreflexion der Wissenschaften aus dem Geist eines theoretischen Skeptizismus.
Erhard arbeitete zunächst als Scheibenzieher und Graveur in der Werkstatt seines Vaters, bevor er mit 22 Jahren in Würzburg ein Medizinstudium aufnahm. Anschließend studierte er Philosophie in Jena, u. a. bei Carl Leonhard Reinhold, und befreundete sich mit zahlreichen führenden Denkern wie Kant, Wieland, Schiller, Niethammer oder Novalis. 1799 ließ er sich als Arzt in Berlin nieder. Erhard war ein Anhänger der Amerikanischen ebenso wie der Französischen Revolution und wirkte als Netzwerker im politischen Untergrund.
Im Rahmen der vom Philosophen Dieter Henrich (1927–2022) seit den 1980er Jahren geleiteten und von der DFG geförderten Konstellationsforschung zur nachkantischen Philosophie wurde Erhard als selbstdenkender Kantianer aus den Archiven heraus erschlossen und wiederentdeckt. Der Münchner Historiker Jürgen Weyenschops (1962–2015) erarbeitete damals eine Edition seiner Schriften zur Philosophie und zur Theorie der Medizin, die nun aus seinem Nachlass in den Druck gebrachten werden soll. Kleinere eigene Editionen begleiten die nachträgliche Drucklegung dieser Ausgabe. Außerdem wird parallel eine Arbeitsedition der ca. 477 aufgefundenen und ca. 59 erschlossenen Briefe Erhards erstellt.
Teilprojekte:
Johann Benjamin Erhard: Über das Recht des Volks zu einer Revolution (Philosophische Bibliothek 771). Mit einer Einleitung, Anmerkungen und Registern hrsg. von Guido Naschert. Hamburg: Meiner 2025 (ca. 172 S.). [ersch. Mai 2025]
Johann Benjamin Erhard: Ueber die Möglichkeit und den Werth des Friedens in der Religion (1797). Kommentierte Edition (Publikation vorgesehen)
Johann Benjamin Erhard: Eigene Lebensbeschreibung (1805). Kommentierte Edition (Publikation vorgesehen)
Johann Benjamin Erhard: Briefe, 1783–1826. Kommentierte Arbeitsedition. Laufzeit: 2024–2027. ca. 659 S. (Publikation vorerst nicht beabsichtigt; nur für den internen Gebrauch der Erhard-Forschung)
Johann Benjamin Erhard: Schriften zur Philosophie und zur Theorie der Medizin. Herausgegeben von Jürgen Weyenschops (†). Bearbeitet, eingeleitet und mit Registern versehen von Guido Naschert. vsl. Hamburg: Meiner 2027.
Eigene Vorarbeiten:
Guido Naschert: Netzwerkbildung und Ideenzirkulation. Johann Benjamin Erhards Reisen durch das Europa der französischen Revolution [mit 2 Karten]. In: Kriminelle – Freidenker – Alchemisten. Räume des Untergrunds in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Martin Mulsow. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2014, S. 503–553.
Friedrich Carl Forberg: Philosophische Schriften. 2 Bde. Hrsg. von Guido Naschert. Paderborn: Brill/Schöningh 2021.
Institutionelle Anbindung: